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EU Richtlinienentwurf zur Harmonisierung des Insolvenzrechts

Nach erfolgter Umsetzung der EU Restrukturierungsrichtlinie weitere Angleichungen geplant

Anfang Dezember 2022 hat die EU-Kommission einen neuen Richtlinienentwurf zur Harmonisierung des Insolvenzrechts vorgelegt, mit der die Bemühungen um die Schaffung eines einheitlichen europäischen Rechtsraums im Insolvenzrecht konsequent weiter vorangetrieben werden soll. Der Entwurf konzentriert sich auf fünf Regelungsbereiche, für die jeweils Mindestanforderungen an das nationale Insolvenzrecht festgelegt werden. Bei zwei dieser Bereiche, namentlich dem sogenannten „Pre-Pack“-Verfahren und einem vereinfachten Insolvenzverfahren für Kleinstunternehmen handelt es sich dabei um dem deutschen Insolvenzrecht bisher unbekannte Instrumente.

Vorgaben zu Insolvenzanfechtung und Gläubigerausschüssen

Die Bestimmungen zu Mindeststandards bei der Bildung von Gläubigerausschüssen und zur Insolvenzanfechtung tragen deutsche Handschrift. Die insoweit vorgesehenen Regelungen entsprechen weitestgehend der heutigen Rechtslage in Deutschland.

Verbesserung der Möglichkeiten zur Aufspürung von Vermögenswerten

Hinsichtlich des Aufspürens von Vermögenswerten des Schuldners sieht der Richtlinienentwurf verbesserte Möglichkeiten des grenzüberschreitenden Asset Tracing vor. Hierzu soll ein neues Vermögensregister geschaffen bzw. der Zugang zu bestehenden Registern erleichtert werden. Dadurch soll es insbesondere deutlich einfacher werden, Vermögenswerte des Schuldners EU-weit aufzuspüren.

Neues „Pre-Pack“-Verfahren

Gänzlich neu aus deutscher Sicht ist die Idee eine übertragende Sanierung dadurch einfacher möglich zu machen, dass in den nationalen Rechtsordnungen ein sogenanntes Pre-Pack-Verfahren verankert werden soll. Dabei ist vorgesehen, bereits vor Einleitung eines Insolvenzverfahrens einen Unternehmensverkauf im Wege eines Asset Deals im später eröffneten Insolvenzverfahren einzufädeln zu können unter Ausschluss der Übernahme von Altverbindlichkeiten.
Der Richtlinienentwurf geht hier sehr ins Detail. Auf Antrag des Schuldners soll ein sogenannter „Monitor“ bestellt werden, der im späteren Verfahren auch zum Insolvenzverwalter ernannt wird. Dieser soll den genau beschriebenen Verkaufsprozess begleiten, der bei der Preisfindung beispielsweise die Regelung enthält, dass bei Vorliegen nur eines Angebots vermutet wird, dass dieses marktüblich und angemessen sei und der dem Schuldner nahestehenden Personen Vorrang beim Erwerb des insolventen Unternehmens oder Teilen davon einräumt. Besonders schmerzlich für betroffene Gläubiger ist das noch über die von PASCHEN bei Gestaltung des StaRUG-Verfahrens erfolgreich kritisierte Stabilisierungsanordnung hinausgehende Festhalten von Lieferanten an ihren Lieferverträgen, wenn diese für das Unternehmen oder den übernommenen Teil hiervon überlebenswichtig sind, in Form eines Kontrahierungszwangs mit dem Übernehmer. Einzig vorgesehen Ausnahme: Bei diesem handelt es sich um einen direkten Konkurrenten des betroffenen Gläubigers.

Vereinfachtes Verfahren für Kleinstunternehmen

Aus Gründen der Effizienz und Vereinfachung sieht der Entwurf schließlich ein spezielles Insolvenzverfahren für (Kleinst-)Unternehmen vor, die weniger als 10 Mitarbeiter beschäftigen bei jährlichen Umsätzen von nicht mehr als € 2 Mio. oder einer Bilanzsumme von nicht mehr als € 2 Mio. Bei Zahlungsunfähigkeit soll für solche Unternehmen ein standardisiertes und digitalisiertes Verfahren möglich sein. Ein Verwalter soll in diesen Fällen nur ausnahmsweise bestellt werden, wenn Schuldner, Gläubiger oder eine Gläubigergruppe dies beantragen und die Kosten aus der vorhandenen Masse gedeckt werden können bzw. vom Antragsteller vorgeschossen werden. Eine Anfechtung soll in diesen Fällen nur in Ausnahmefällen stattfinden und die Verwertung der Assets des insolventen Unternehmens im Regelfalle über eine Onlineversteigerung stattfinden. Der Schuldner soll aber – wie bisher – Restschuldbefreiung erlangen.

Bedeutung des Entwurfs für Gläubiger

Aus Gläubigersicht besteht jeder Anlass, sich in die weitere Diskussion des Entwurfs aktiv einzubringen. So besteht hinsichtlich der Vorschläge zu den Verfahren für Kleistunternehmen aus Praktikersicht eine nicht unerhebliche Gefahr, dass diese als Einladung zum Missbrauch missverstanden werden. Dies gilt auch für die Idee einer Bevorzugung nahestehender Personen und die Ausgestaltung des „Pre-Pack“- Verfahrens als vorinsolvenzliche „Geheimverhandlung“, bei dem zudem darauf geachtet werden muss, dass die Gläubigerinteressen im Zusammenhang mit dem Kontrahierungszwang nicht um jeden Preis dem Wunsch geopfert werden, die Sanierungsmöglichkeiten weiter auszubauen. Unser Partner Lutz Paschen hat sich daher bereits in die Diskussion des Entwurfs im Rahmen seiner Mitgliedschaft im IHK-Rechtsausschuss eingebracht und maßgeblich an der Stellungnahme der Sächsischen Industrie- und Handelskammern mitgewirkt. Aktuell befindet sich das Thema in der weiteren Beratung auf europäischer Ebene. Wir von PASCHEN werden auch die weitere Diskussion kritisch begleiten und Sie auf dem Laufenden halten.

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