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COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz COVInsAG: Anfechtungsrechtliche Folgen der pandemiebedingten Sonderregelungen im Insolvenzrecht

Einer der wichtigsten Teile des vom Gesetzgeber erstmals im März 2020 eilig erlassenen COVID-19-Pandemie-Gesetzes sind die darin enthaltenen Regelungen zur zeitweisen Modifizierung des Insolvenzrechts. Mit dem dort unter Art. 1 verorteten COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz COVInsAG wurde nicht nur die Verpflichtung zur Stellung von Insolvenzanträgen krisenbedingt vorübergehend geändert, sondern es wurden auch die Anfechtungsrisiken für Gläubiger adressiert, die ihren Abnehmern in der Krise beistehen. Die Regelungen waren zunächst befristet bis zum 30. September 2020, wurden später in Teilen verlängert bis 31. Dezember 2020 und für den Fall, dass die Ursachen des finanziellen Engpasses in einer verzögerten Bearbeitung von Anträgen auf staatliche Mittel zur Abmilderung der Pandemiefolgen liegen, sogar gleich mehrfach, zuletzt bis zum 30. April 2021. Der letzten (rückwirkenden) Verlängerung wurde am 12. Februar 2021 auch vom Bundesrat zugestimmt.

Aussetzung der Insolvenzantragspflicht

Gemäß § 1 COVInsAG i.V.m. Art. 6 Abs. 1 COVID-19-Pandemie-Gesetz war die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags nach § 15a InsO und § 42 BGB für die Zeit vom 1. März bis 30. September 2020 ausgesetzt. Diese Regelung galt allerdings dann nicht, wenn die Insolvenzreife nicht auf der COVID-19-Pandemie beruhte oder wenn keine Aussichten darauf bestanden, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. Das Gesetz leistet Hilfestellung bei der Auslegung dieser (Negativ-)Voraussetzungen, indem es eine Regelung enthält, wonach grundsätzlich vermutet wird, dass sie nicht vorliegen, wenn der Schuldner nicht bereits am 31. Dezember 2019 zahlungsunfähig war.

Mit dem Gesetz zur Änderung des COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetzes vom 25. September 2020 wurde die Regelung in § 1 COVInsAG zwar zeitlich bis zum 31. Dezember 2020 ausgedehnt, zugleich aber für den Zeitraum ab dem 1. Oktober 2020 auf Fälle beschränkt, in denen lediglich der Insolvenzgrund Überschuldung vorlag.

Mit einer Sonderregelung im SanInsFoG erfolgte sodann die weitere Ausdehnung der Aussetzung der Antragspflicht auf Fälle, die auf einer verzögerlichen Bearbeitung von Anträgen auf Hilfsgelder zurückgehen, die bis 31. Dezember 2020 gestellt wurden. Mit der  letzten Änderung dieser Regelung galt diese sogar bis 30. April 2021 fort, wenn der entsprechende Antrag (auf Hilfsgelder) bis zum 28. Februar 2021 gestellt worden war.

Folgen für das Anfechtungsrisiko

Nach bisheriger Rechtsprechung des BGH erhöht sich bei einer nachträglichen Änderung von Vertragsverhältnissen das Anfechtungsrisiko, insbesondere wenn solche Anpassungen vorgenommen werden, um bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten dem Geschäftspartner entgegenzukommen. Das Eingeständnis des Geschäftspartners, fällige Zahlungen in einer insolvenzrechtlich relevanten Größenordnung nicht erbringen zu können, indiziert nach der BGH-Rechtsprechung den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz und zieht daher die erhebliche Gefahr der Insolvenzanfechtung nach § 133 InsO nach sich. Bereits vor Auftreten der jetzigen Ausnahmesituation wurden daher durch die von PASCHEN maßgeblich mitinitiierte Anfechtungsreform im Jahre 2017 Regelungen zur Privilegierung von Zahlungsvereinbarungen und Klarstellung des Status sogenannter Bargeschäfte eingeführt.

Vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit der Reform wurden im Zusammenhang mit der Verabschiedung des jetzigen Krisenrechts auf Drängen der Spitzenverbände – PASCHEN wurde in diesem Zusammenhang vom DIHK konsultiert – anknüpfend an die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht auch Regelungen getroffen, die Gläubigern zugutekommen sollen, die ihren Vertragspartnern in der (Corona-)Not zur Seite stehen.

Gemäß § 2 COVInsAG sind Leistungen, die die Rückgewähr eines im Aussetzungszeitraum gewährten neuen (Lieferanten-)Kredits bis 30. September 2023 und hierfür während des Anfechtungszeitraums bestellte Sicherheiten betreffen (Abs. 1 Nr. 2), grundsätzlich vom Anfechtungsrisiko befreit. Gleiches gilt gemäß Nr. 3 und 4 auch für sonstige Rechtshandlungen im Zusammenhang mit Forderungen aus der Zeit vor dem 1. März 2020, insbesondere deren Bezahlung oder anderweitigen Ausgleich sowie Maßnahmen zu deren Absicherung während des Aussetzungszeitraums.

Diese Regelung gewährt sogar Anfechtungsschutz für einige sogenannte „inkongruente“ Rechtshandlungen, namentlich

  • Leistungen an Erfüllungs statt oder erfüllungshalber;
  • Zahlungen durch einen Dritten auf Anweisung des Schuldners;
  • die Bestellung anderer als der ursprünglich vereinbarten Sicherheiten, wenn diese nicht werthaltiger sind;
  • die (nachträgliche) Verkürzung von Zahlungszielen und
  • die Gewährung von Zahlungserleichterungen.

Aber Achtung: Ausgenommen von diesen Privilegierungen sind Fälle, in denen die Insolvenz ihre Ursache nicht in den Folgen der Pandemie hat!

Gleiches gilt, wenn dem Gläubiger bekannt war, dass die Sanierungs- und Finanzierungsbemühungen des Schuldners nicht zur Beseitigung einer eingetretenen Zahlungsunfähigkeit geeignet gewesen sind. Zur Eindämmung von Unsicherheiten bei der Auslegung dieser Regelungen finden sich hierzu ausführliche Erläuterungen in der Gesetzesbegründung zum COVID-19-Pandemiegesetz. So heißt es dort (auf Seite 23f.):

„Die Regelung (§ 1 Abs. 1 Nr. 2) schützt die Geber von neuen Krediten, einschließlich von Warenkrediten und anderen Formen der Leistungserbringung auf Ziel. Sie sollen nicht befürchten müssen, zur Rückgewähr zwischenzeitlicher Leistungen verpflichtet zu werden oder den Zugriff auf die bei der Vergabe der neuen Kredite gewährten Sicherheiten zu verlieren, wenn die Bemühungen um eine Rettung des Unternehmens der Kreditnehmerin oder des Kreditnehmers scheitern und deshalb doch ein Insolvenzverfahren eröffnet wird.“

Und weiter zu Nr. 4:

„Ein Bedürfnis für einen Anfechtungsschutz besteht auch in bestimmten Fällen, in denen kein neuer Kredit im Sinne der Nummer 2 vorliegt. Dies betrifft z. B. Vertragspartner von Dauerschuldverhältnissen wie Vermieter sowie Leasinggeber, aber auch Lieferanten. Wenn solche Vertragspartner befürchten müssten, erhaltene Zahlungen im Falle des Scheiterns der Sanierungsbemühungen des Krisenunternehmens mit anschließender Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgrund einer Anfechtung zurückzahlen zu müssen, wären sie geneigt, die Vertragsbeziehung auf dem schnellsten Wege zu beenden, was wiederum die Sanierungsbemühungen vereiteln würde (…).“

“Außerdem kann eine Anfechtung weiterhin erfolgen, wenn dem anderen Teil bekannt war, dass die Sanierungs- und Finanzierungsbemühungen der Schuldnerin oder Schuldners nicht zur Beseitigung der Insolvenzreife geeignet gewesen sind. Die Beweislast dafür liegt bei demjenigen, der sich auf die Anfechtbarkeit berufen möchte. Der andere Teil muss sich nicht davon überzeugen, dass die Schuldnerin oder der Schuldner geeignete Sanierungs- und Finanzierungsbemühungen entfaltet; nur die nachgewiesene positive Kenntnis vom Fehlen von Sanierungs- und Finanzierungsbemühungen oder von der offensichtlichen Ungeeignetheit der Sanierungs- und Finanzierungsbemühungen würde den Anfechtungsschutz entfallen lassen. Ausdrücklich geschützt werden auch Leistungen an Erfüllungs statt oder erfüllungshalber, Forderungsabtretungen statt Barzahlungen und Zahlungen durch Dritte auf Anweisung der Schuldnerin oder des Schuldners, weil solche der Leistung des Geschuldeten wirtschaftlich gleichstehen. Auch die Auswechslung einer Sicherheit ohne Erhöhung des Sicherheitswerts wird geschützt, um die betriebswirtschaftliche sinnvolle Verwendung von Sicherungsgegenständen durch die Schuldnerin oder den Schuldner nicht zu behindern. Der Schutz wird auf die Gewährung von Zahlungserleichterungen erstreckt, weil solche die Liquidität des Unternehmens stärken und insoweit ähnlich wirken wie die Gewährung neuer Kredite. Der Schutz einer Verkürzung von Zahlungszielen verfolgt demgegenüber den Zweck, Vertragspartnern einen weitergehenden Anreiz für eine Fortsetzung der Vertragsbeziehungen zu bieten. Wenn z. B. eine Lieferantin oder ein Lieferant betriebsnotwendiger Bauteile nur dann zur Weiterbelieferung des schuldnerischen Unternehmens bereit ist, wenn die bisher in einem Rahmenvertrag vereinbarten Zahlungsfristen verkürzt werden, sollte er nicht allein deshalb zu einer vollständigen Vertragsbeendigung gedrängt werden, weil er sich durch die Vertragsanpassung Anfechtungsrisiken aussetzen würde“.

Nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 COVInsAG (neu) gelten zudem bis zum 31. März 2022 erfolgte Zahlungen auf Forderungen, für die bis zum 28. Februar 2021 Stundungen gewährt wurden, als nicht gläubigerbenachteiligend, wenn die Insolvenzantragspflicht des die Zahlung leistenden Unternehmens wegen verzögerlicher Bearbeitung von bis Ende Februar 2021 gestellten Hilfsanträgen ausgesetzt war.

Fazit

Damit gilt, dass Zahlungen bis zum 30. September 2023 von pandemiebedingt in finanzielle Schwierigkeiten und später in Insolvenz geratenen Schuldnern, die auf zwischen dem 1. März und 30. September 2020 abgeschlossenen Verträgen basieren, auch im Falle einer späteren Insolvenz regelmäßig als nicht gläubigerbenachteiligend gelten und damit weitgehend anfechtungsfest sind. Für den Teil der Fälle, in denen nur der Insolvenzgrund Überschuldung vorlag, gilt dies auch für Verträge aus dem Zeitraum 1. Oktober bis 31. Dezember 2020. Weitere Privilegierungen für bis Ende März 2022 erhaltene Zahlungen gelten zudem, sofern die Voraussetzungen einer Aussetzung der Insolvenzantragspflicht (bis Ende April 2021) vorlagen, die ihre Ursache im Bereich verzögerlicher Bearbeitung von Anträgen auf staatliche Hilfeleistung hatten, die bis zum 28. Februar 2021 gestellt worden waren, wenn bis zu diesem Zeitpunkt Stundungen der entsprechenden Forderung durch den Gläubiger erfolgt sind.

Höchste Vorsicht ist allerdings bei der Prüfung der Frage geboten, ob die Ursache der finanziellen Probleme wirklich in der Pandemie lag. War der Schuldner bereits am 31. Dezember 2019 nach den strengen von der Rechtsprechung aufgestellten Kriterien (objektiv) zahlungsunfähig, geht der Schutz ins Leere. Gleiches gilt, wenn bei verzögerlicher Bearbeitung von Anträgen auf staatliche Hilfeleistung offensichtlich keine Aussicht auf Erlangung derselben bestand oder die erlangbare Hilfeleistung für die Beseitigung der Insolvenzreife unzureichend war.

Wir werden für Sie am Ball bleiben und über die weitere Entwicklung informieren. Für weitere Fragen in diesem Zusammenhang stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.